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IP Blog / Urheberrecht im politischen Wahlkampf

Urheberrecht im politischen Wahlkampf

Vor Kurzem fanden die US-Wahlen statt, und auch in Deutschland stehen Neuwahlen bevor. Politiker und Parteien setzen bei ihren Wahlkampfveranstaltungen häufig Musik ein, um eine emotionale Atmosphäre zu schaffen, die ihre Kampagne unterstützt. Viele Musiker und Musikerinnen sehen dies jedoch kritisch, insbesondere wenn ihre Lieder von Parteien genutzt werden, die nicht im Einklang mit ihrer eigenen politischen Überzeugung stehen.

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Im deutschen Wahlkampfdunst wehrt sich aktuell Herbert Grönemeyer (deutscher Sänger; „Zeit, dass sich was dreht“) gegen die Nutzung seiner Musik im politischen Kontext. So hatte die CDU-Jugendorganisation ‚Junge Union‘ bei einem ihrer Treffen das bekannte Lied Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ abgespielt, um den CDU-Spitzenkandidaten Friedrich Merz anzumoderieren. Der Sänger forderte die Junge Union daraufhin mit anwaltlichem Schreiben dazu auf, die Nutzung seines Songs für Wahlkampfzwecke zu unterlassen. Gleiches Schicksal ereilte auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Deren Spitzenkandidat, der derzeitige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, summte in einem auf der Plattform ‚X‘ veröffentlichten Video, in dem er seine Kanzlerkandidatur verkündete, die Melodie desselben Liedes. Auch dies stieß dem Bochumer Sänger übel auf. Durch seinen Medienanwalt ließ er verkünden, er „wünsche grundsätzlich nicht, dass seine Person oder seine Lieder von politischen Parteien, noch dazu ohne seine Zustimmung, für jegliche Art von Wahlwerbung vereinnahmt werden.“

Grönemeyer ist nicht der erste, der sich öffentlich gegen die Politisierung seiner Lieder wehrt. Vor ihm gingen u.a. schon die Kölner Karnevals-Band ‚Die Höhner‘ sowie Schlagersängerin Helene Fischer gerichtlich gegen die Nutzung ihrer Lieder bei Wahlkampfauftritten vor.

Im Jahr 2015 erstritten sowohl Die Höhner als auch Helene Fischer vor dem Thüringer Oberlandesgericht Unterlassungsverfügungen gegen die rechtsextreme NPD (heute ‚Die Heimat‘ oder ‚HEIMAT‘), die es dieser untersagten, die Lieder der Künstler ohne deren Zustimmung auf Wahlkampfveranstaltungen wiederzugeben bzw. wiedergeben zu lassen. 

Das Urheberrecht als rechtliche Grundlage 

Im Fall von Helene Fischer entschied das OLG zugunsten der Sängerin (Urt. v. 18.03.2015, Az.: 2 U 674/14), gestützt auf § 75 UrhG, nachdem ein Künstler das Recht hat, gegen bestimmte Nutzungen seiner Darbietungen vorzugehen, wenn diese seine persönlichen Interessen oder seine künstlerische Reputation beeinträchtigen. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass die Entscheidung, sich in der Öffentlichkeit bewusst unpolitisch zu geben, allein beim Künstler liege. Daher bedarf es nicht nur im Falle von Produktwerbung seiner ausdrücklichen Zustimmung, sondern auch wenn seine Darbietung für politische Werbung genutzt werden soll. Nach Auffassung des Senats komme es dabei nicht maßgeblich darauf an, um welche politische Partei es sich handelt. 

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Der Rechtsstreit von Helene Fischer unterstreicht eine wachsende Bewegung unter Künstlern, ihre Werke vor unbefugter politischer Nutzung zu schützen und dabei sowohl die kreative Ausdrucksfreiheit als auch persönliche Prinzipien zu verteidigen.

Einen Monat später entschied das OLG in Jena in Bezug auf den „Höhner-Fall“ (Urt. v. 22.04.20215, Az. 2 U 738/14) gleichermaßen zugunsten der Musiker, diesmal auf Grundlage von § 14 UrhG. Der entscheidende Senat führte hierzu aus, dass das Hineinstellen in den Zusammenhang mit dem Werben einer politischen Partei, und sei es nur durch einen Transfer der von den Werken ausgehenden Stimmen, besonders geeignet sei, die Interessen des Urhebers zu beeinträchtigen, da gerade die politische Überzeugung ein Bereich sei, innerhalb dessen sich zu positionieren jedem Einzelnen selbst überlassen werden müsse. Auch in diesem Urteil bekräftigte das OLG seine Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, um welche politische Partei es sich handele. 

Hinsichtlich des „Höhner-Falls“ bestätigte zudem der BGH die Auffassung der Thüringer Richter und stellte im konkreten Fall ergänzend klar, dass es im Streitfall offen bleiben könne, ob Urheber generell nicht damit rechnen müssten, dass ihre Werke ungefragt bei Wahlkampfveranstaltungen abgespielt würden. Jedenfalls sei bei der vorliegenden Einbindung der Musikstücke in die Wahlkampfveranstaltung durch eine Partei, gegen deren politische Ziele sich die Kläger bereits öffentlich ausgesprochen hatten und die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft worden ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung den Interessen der Urheber der Vorzug zu geben. 

Was ist nun mit Grönemeyer?

Fraglich ist nun, wie es sich im Fall Grönemeyer verhält, der sich ebenso auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht aus § 14 UrhG beruft. Denn, der Unterschied in den beiden vorangegangen Fällen ist, dass sich die Künstler gegen die Nutzung durch eine rechtsextreme, verfassungsfeindliche Partei wehrten. Hier wurde eine Benachteiligung der Künstler zuerkannt, da sie in Zusammenhang mit einer politischen Partei gebracht wurden, deren Ziele nur von einem geringen Teil der Bevölkerung geteilt werden. Nach Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts kommt es zwar nicht maßgeblich darauf an, um welche politische Partei es sich handelt. Die vorstehende Wertung wird sich jedoch nicht einfach so auf demokratische Parlamentsparteien übertragen lassen. 

Wie verhält es sich zudem, wenn die Partei eine Lizenz zur Nutzung der Musik erworben hat? In Deutschland überträgt der Urheber seine Verwertungsrechte in der Regel an eine Verwertungsgesellschaft, wie die GEMA, die im Gegenzug gegen Entgelt Lizenzen an Dritte vergibt, die das Werk nutzen möchten. Diese Rechteübertragung erfolgt durch sogenannte Wahrnehmungsverträge, die sich nach dem Zweck der Übertragung richten (siehe BGH-Urteil vom 10. Juni 2009 - I ZR 226/06). Dieser Zweckübertragungslehre folgend, umfasst die Rechtsübertragung an die GEMA durch den Urheber lediglich die üblichen voraussehbaren Formen der öffentlichen Wiedergabe, zu denen die Verwendung im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen politischer Parteien nicht gehört (BGH, Beschluss vom 11.05.2017 - I ZR 147/16). In einem solchen Fall verbleiben die Rechte beim Urheber, der dann entscheiden kann, ob er unzulässige Nutzungen, wie die Verwendung durch politische Parteien, verbietet. Liegt eine Zweckbestimmung bzw. -beschränkung nicht vor, können Musiker somit auch nach der Übertragung ihrer Rechte an die GEMA weiterhin ihr Urheberpersönlichkeitsrecht geltend machen. 

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Herbert Grönemeyers Widerstand gegen die Verwendung seiner Musik in politischen Kontexten betont die komplexe Beziehung zwischen der kreativen Autorität eines Künstlers und den umfassenderen gesellschaftlichen Mechanismen des Urheberrechts und des öffentlichen Diskurses.

Es stellt sich daher die Frage, wo die rechtlichen Grenzen zu ziehen sind. Das Urheberrecht bzw. Urheberpersönlichkeitsrecht kann sicherlich nicht als Generalwaffe für jeden Fall dienen, in denen die Musiknutzung von den persönlichen Überzeugungen der jeweiligen Künstler abweicht. Der Schutz des § 14 UrhG muss jedenfalls dort enden, wo die berechtigten Interessen des Urhebers nicht erheblich beeinträchtigt werden oder wo konkurrierende Rechte -wie die Freiheit der politischen Meinungsäußerung- die Persönlichkeitsrechte des Urhebers überwiegen. Der Kontext der Nutzung, das Ausmaß der Beeinträchtigung und das öffentliche Interesse sind dabei entscheidende zu berücksichtigende Faktoren. Diese Fälle bedürfen sicherlich auch zukünftig einer sorgfältigen Abwägung, um Rechtsunsicherheit vorzubeugen. 

Der Fall Grönemeyer-Fall wird wohl nicht gerichtlich entschieden, obwohl eine Entscheidung sicherlich interessant gewesen wäre. 

Ein Blick über den großen Teich – Und wie sieht es in den USA aus?

Getreu nach dem Motto ‚Go Big or Go Home‘ stellen sich Wahlkampfveranstaltungen in den USA oft als Pop-Konzertartige Spektakel dar, bei denen die Präsidentschaftskandidaten regelmäßig durch Prominente aus Hollywood, dem Sport und der Wirtschaft unterstützt werden. Wahlkampflieder sind fester Bestandteil des amerikanischen Wahlkampfes und können sogar bis zur ersten Präsidentschaftswahl 1789 zurückverfolgt werden, in dem George Washington das Lied „Follow Washington“ einsetzte und damit ein frühes Beispiel für die Nutzung von Wahlkampfliedern lieferte. Weitere populäre Beispiele geben Frank Sinatra, der den Text seines Liedes „High Hopes“ für den Wahlkampf von John F. Kennedy 1960 umdichtete und die diesjährige Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Kamala Harris, durfte u.a. Beyoncés Song „Freedom“ für ihre Wahlkampf-Kampagne nutzen. 

Ebenso wie in Deutschland, gefällt aber auch in den USA vielen Musikern nicht, dass ihre Lieder im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen ohne ihre Zustimmung verwendet werden. So hagelt es insbesondere für den polarisierenden US-Präsidenten Donald Trump Beschwerden und sog. „Cease and desist letters“ (zu Deutsch „Unterlassungserklärung“ oder „Abmahnung“). Wie die GEMA in Deutschland gibt es auch in den USA Verwertungsgesellschaften, sog. Performance Rights Organizations (PRO) wie ASCAP oder BMI, über die pauschale Lizenzen (‚blanket license‘) für Musik erworben werden können. Die Urheber haben zwar die Möglichkeit, ihre Werke gegenüber den Verwertungsgesellschaften für politische Kampagnen auszuschließen. Ein Beispiel hierfür sind die Rolling Stones, die 2020 ihre Lieder aus der Liste der für politische Nutzung angebotenen Werke entfernen ließen. Das Urheberrecht kann darüber hinaus in Bezug auf die öffentliche Aufführung von Originalliedern jedoch nur bedingt Abhilfe schaffen. Obwohl der Konflikt zwischen Musikern und Politikern ein mit jeder Wahlperiode wiederkehrendes Thema ist, werden diese daher nur selten vor Gericht ausgetragen. Vielmehr wählen Musiker öffentlichen politischen Protest, um sich von den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten und dem parteipolitischen Programm zu distanzieren. 

Civil vs. Common Law – Deutsches Urheberrecht und U.S.-Copyright im Vergleich

Urheberpersönlichkeitsrechte sind unterschiedlich ausgeprägt, so stehen konkret das deutsche Urheberrecht und das amerikanische Copyright auf unterschiedlichen Fundamenten. Deutsches Urheberrecht stellt Urheber als Schöpfer und seine ideelle Beziehung zum Werk in den Mittelpunkt. Das darin verankerte Urherberpersönlichkeitsrecht verbindet die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Urhebers untrennbar miteinander. 

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Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, wo das Urheberrecht primär auf Kommerzialisierung ausgerichtet ist, legt das deutsche Urheberrecht Wert auf den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrecht. Dadurch wird die persönliche Verbindung der Künstler zu ihrem Werk gewahrt, was ihnen ein größeres Mitspracherecht bei der politischen Nutzung ihrer Werke verleiht.

Das amerikanische Copyright hingegen setzt einen ökonomischen Fokus. Denn, das Common Law-Urheberrecht beruht weitestgehend auf wirtschaftlichen Grundprinzipien (‚commercial rationale‘) und stellt persönliche Interessen des Urhebers hinten an. Daraus folgt der Gedanke, dass es sich bei Werken -wie den im Wahlkampf verwendeten Musikstücken- primär um Wirtschaftsgüter handelt. Folglich werden die Entscheidungs- und Verwertungsrechte über ein Werk oft nicht dem Urheber (bspw. dem Musiker) zugestanden, sondern den wirtschaftlichen Rechteverwertern. Dem Urheber verbleiben eingeschränkte Veto-Rechte oder der Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen wie dem Markenrecht (Lanham Act), um möglichen Missbrauch des Copyrights durch die Rechteverwerter zu verhindern. Ein Schutz moralischer Interessen ergibt sich hieraus allerdings lediglich als Nebeneffekt. Die Aussichten für einen Künstler sind in den USA demnach nur bedingt vielversprechend. Haben die Wahlkampfstätten die erforderliche Lizenz bei einer PRO erworben, werden Musiker ihre Interessen nach der derzeitigen Rechtslage nur schwer durchsetzen können. 

Die grundlegend andere Auffassung in Bezug auf die moralisch-persönlichen Interessen des Urhebers im deutschen Urheberrecht, lassen die Durchsetzung der Künstlerrechte in Deutschland aussichtsreicher erscheinen, wie die vorangegangenen Ausführungen zu den Entscheidungen des Thüringer Oberlandesgerichts und des BGH zeigen. Gleichwohl gewährt das Recht keine grenzenlosen Ansprüche für politikverdrossene Künstler, weshalb eine sorgfältige Interessenabwägung als Korrektiv unerlässlich ist. 

Die entscheidende Bedeutung des Urheberpersönlichkeitsrechts ist letztlich der maßgebliche Unterschied zum amerikanischen Common Law Copyright System und erklärt die (unamerikanische) Zurückhaltung in Bezug auf gerichtliche Klageverfahren. 

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